grundschul.tips – Grundschulblog-Interview

In unserem neuesten Interview freuen wir uns, Dir Björn Bauch (44) vorzustellen. Björn ist seit 2003 Lehrer für Grund-, Haupt- und Realschulen und seit 2009 auch Leiter einer 3-zügigen Grundschule. In Braunschweig geboren und aufgewachsen, ist er inzwischen über verschiedene Stationen nun im Norden von Niedersachsen angekommen. Freu Dich hier auf ein spannendes Interview zu seinem Grundschulblog und Informationsseite für Eltern.

Welches Ziel verfolgst Du sowohl mit Deiner Informationsseite „grundschul.tips“ als auch Deinem Blog?

Ziel der Seite ist Aufklärung, Information und Herstellung einer gewissen Art von Transparenz, sofern das im Bereich der Schule überhaupt zu erreichen ist! Warum?

Jeder ist in die Grundschule gegangen und deshalb hat auch jeder seine Erfahrung mit dieser Institution machen dürfen/müssen. Das hat geprägt und man hat super schöne bis hin zu grauenhaften Erinnerungen an diese Zeit. Jeder kann also in gewisser Weise mitreden. Aber hier fängt das Problem an. Wir sind Eltern geworden, Fürsprecher unseres Kindes und müssen nun, egal wie unsere eigenen Erfahrungen waren, irgendwann unser Kind an der Grundschule anmelden. Haben wir diese Zeit aus der Perspektive des kleinen Schulkindes wahrgenommen, müssen wir uns viele Jahre später und aus einer komplett anderen Perspektive und einer ganz anderen Motivation erneut damit auseinandersetzen.

Mit einem Abstand von vielen Jahren, mit der Verantwortung und Fürsorge für das eigene Kind, stellen wir fest, dass plötzlich alles anders ist. Nichts von dem hat mehr etwas mit unseren Erinnerungen an unsere eigene Grundschulzeit zu tun. Meine Grundschulzeit ist rund 35 Jahre her. Was hat sich alles im Bildungswesen und in der Schulpolitik verändert?

Habe ich als Grundschüler gewusst oder wahrgenommen, dass

  • zur Anmeldung an einer Schule die Geburtsurkunde und der Nachweis über die Sorgeberechtigung vorgelegt werden muss?
  • es 3 Erziehungsberechtigte – zumindest im rechtlichen Sinne – bei „Angelegenheiten des täglichen Lebens“ gibt?
  • Kinder auch vom Schulbesuch zurückgestellt werden können?
  • wie man Gesetze und Erlasse lesen muss?

Man muss auf Schulstrukturreformen, einige Gesetzesänderungen, das Bildungspaket, die Rechtschreibreformen, die Inklusion, den Digitalpakt usw. blicken und es wird Folgendes deutlich. Eigentlich ist es für alle Eltern, grade für die jungen, unerfahrenen unter ihnen, heutzutage absolutes Neuland, wenn die Grundschulzeit ihrer Kinder beginnt.

Doch wo soll man dieses neue Wissen herbekommen? Als ich das erste Mal mit dem Gedanken spielte eine Ratgeberseite zu erstellen, habe ich mit einem banalen Thema angefangen und wollte natürlich auch eine Quellenangabe machen. Auch ich musste lange suchen, obgleich ich mir des Sachverhaltes sicher war, wo ich diese Antwort als Nicht-Insider nachlesen könnte. Und somit war mein Ehrgeiz und auch meine Motivation geweckt.

Leider ist es eine Mammutaufgabe, all dieses Spezialwissen zu formulieren. Einen Großteil der Informationen erhalten die Eltern ja auch über die Elternbriefe oder den Austausch mit anderen Elternteilen. So kann man sicher 80-90% des Wissens erlangen. Die letzten Prozente sind dann meist sehr individuell und auch gelegentlich Ermessenssache, so dass ich nur auf einen möglichen Antwortkorridor verweisen kann und nicht auf DIE EINE konkrete Antwort. Es ist aber immer wieder spannend, wie viel Halbwissen und auch veraltete Informationen verbreitet sind. Das ist für viele so verwirrend oder gar schädlich. Immer dann, wenn Eltern sich auf Halbwissen oder auf nicht ganz richtige Informationen aus vermeintlich seriösen Quellen verlassen und dann aufgeschmissen sind, wenn es doch nicht so funktioniert, wie gedacht.

Lustig ist in dem Zusammenhang, dass sich auch ein gewisser Prozentsatz von Lehrkräften via Kontaktformular meldet um ebenfalls die einen oder anderen Antworten auf die nicht so geläufigen Fragen zu bekommen. Ich hoffe auch, dass in Zukunft die Kommentarfunktionen auf den Seiten stärker genutzt werden. So kann man früher einmal gegebene Antworten, bei Nachfragen zum gleichen Thema, ggf. noch für alle sichtbar ergänzen. Offensichtlich fühlen sich die Besucher der Seite aber mit dem Kontaktformular wohler. Das mag oft in der Art der Frage begründet sein. Es geht ja in der Regel um Fragen, das eigene Kind betreffend und dessen Schulsituation, welche man dann doch lieber nicht ganz so öffentlich stellen möchte.

Der Grundschulblog

Der Grundschulblog ist parallel entstanden. Eher ungeplant, man könnte sagen, dass es immer wieder Gedanken gab, die off-topic waren. Diese habe ich dann als Rubrik „Meine Meinung“ mit unter die Infoseiten eingefügt. Da off-topic aber auch spannend ist, sind so nach und nach Blogbeiträge entstanden. Diese spiegeln eher meine Gedanken und Meinungen wieder, als dass sie eine bestimmte Sachsituation beschreiben. Sicher sind die Meinungen dabei diskussionswürdig. Aber das ist ja auch das Schöne daran. Je kontroverser eine Sache ist, desto größer ist der Austausch darüber.

Welche prägenden Erfahrungen hast Du als Leiter einer Grundschule gemacht?

  • Gute Schulen brauchen gute Rahmenbedingungen, personelle und finanzielle Ressourcen sowie am meisten Lehrkräfte (und Schulleitungen, die es schaffen, mit der Hälfte der oft versprochenen/geforderten Ressourcen, das Doppelte herauszuholen).
  • Gesetze und Erlasse sind zum Teil Auslegungssache. Was bei einer Schule gilt, kann an der Nachbarschule schon wieder anders umgesetzt werden (z. B. die oft nachgefragte Hitzefreiregeleung. Dies obliegt einzig und allein der Schulleitung). Das Schulgesetz und die entsprechenden Erlasse sind dann auch allerdings wieder sehr eindeutig (z. B. „Verordnung über den Wechsel zwischen Schuljahrgängen und Schulformen der allgemeinbildenden Schulen (WeSchVO)“).
  • Traurig aber wahr: Pädagogik hat politische Grenzen.

Wie stellst Du Dir die Grundschule der Zukunft vor (auch unter digitalen Gesichtspunkten)?

Eins vorweg. Digitalisierung an Schulen ist sicher wichtig, aber in der Grundschule m. E. nicht das Kernthema. An der Grundschule würde ich mich eher über 5 (statt 2) Lehrerstunden in der sonderpädagogischen Grundversorgungfreuen. Über die dritte Sportstunde, über Sozialarbeiter, über mehr Stunden in der Vertretungsreserve sowie Stunden für Doppelbesetzungen usw.

Die Grundschule der Zukunft fängt immer bei einem NEUBAU einer Grundschule an. Die meisten Grundschulen sind baulich 30-40 Jahre alt (oder noch älter). Sie entsprechen nicht mehr den heutigen schulischen Anforderungen und Lehrmethoden.

Dann benötigt man natürlich mehr Ressourcen und damit einhergehend ein viel stärkeres Bewusstsein der Politik, dass Bildung Geld kostet und auf keinen Fall ein Sparvorhaben sein darf. Insbesondere im Primarbereich, denn dort werden die Grundlagen gelegt. Die Wunschliste der Grundschulen ist riesig lang.

Wie die Grundschule der Zukunft letztlich aussehen muss, ist schwer zu sagen. Die Generationen der Grundschulkinder verändern sich viel stärker als noch vor 40 Jahren. Gleichzeitig ändert sich auch die Schulpolitik mit jeder Legislaturperiode. Daher ist es viel wichtiger, dass die Schulen mehr Flexibilität bekommen um sich auf die schnell verändernden Kinder & Anforderungen einstellen zu können.

Beispiel:

Ganz verkürzt dargestellt lernen die Grundschulkinder Lesen, Schreiben & Rechnen. Sie erlangen Kompetenzen im Sozial- & Arbeitsverhalten & erwerben Fähigkeiten/Methoden des Lernens, der Kommunikation, der Präsentation sowie einiges mehr. Jetzt stellen wir uns die ländliche Grundschule, mit einem gut bürgerlichen Klientel vor. Deren speziellen Herausforderungen liegen in der Überbehütung, der zeitlichen Fremdbestimmung des Kindes (2x Sportverein, Geigenunterricht, Ergotherapie, Nachhilfe) & der ganztäglichen Fremdbetreuung. Dem Gegenüber steht die Stadtteilschule, oder zuweilen auch Brennpunktschule der großen Stadt, mit einem hohen Anteil von nicht-deutschsprachigen Kindern, hoher Arbeitslosenquote, bildungsfernem Elternhaus & schulischem Desinteresse. Beide Schulen teilen sich globale Herausforderungen, wie Inklusion (körperliche Behinderungen, emotional-soziale Entwicklungsstörungen, ADS, ADHS, Autismus), Flüchtlingskinder, mangelndes Personal, unzureichende Ausstattung & ein nicht optimales Schulgebäude. Ja, der Vergleich ist voller Vorurteile & passt perfekt in die Klatschpresse. Aber er soll deutlich machen, dass die Grundschulen der Zukunft nicht die EINE Zukunft haben können, sondern dass sie auf jede einzelne zugeschnitten sein muss. Diese beiden genannten Schulen liegen in verschiedenen Welten. Das Arbeiten & Lernen in diesen beiden Schulen ist entsprechend Welten voneinander entfernt. Was die eine braucht, ist für die andere uninteressant & umgekehrt. Ein Schulgesetz kann diese soweit voneinander entfernten Ausgangssituationen nicht nachhaltig abdecken, ohne schwammig, ungenau oder zu verallgemeinernd zu werden.

Wie schätzt Du die Situation im deutschen Grundschulwesen ein?

Letztlich kann ich ja nur für Niedersachsen sprechen und die Frage nur sehr subjektiv beantworten. Jede Schule ist anders & hat die verschiedensten Stärken, Schwächen, Herausforderungen und Erfolge. Damit ist auch die Einschätzung der Situation sehr schwierig. Letztlich sollen sich die Grundschulen nicht mehr so viele Gedanken um Rahmenbedingungen und Ressourcen machen müssen. Sie sollten noch viel mehr in ihrer täglichen Arbeit unterstützt werden. Ganz gleich in welchen Bereichen das dann individuell sein mag. Es fängt jedoch bei der Wertschätzung für die herausfordernde Arbeit im Primarbereich an…!

Welche Tipps kannst Du Eltern von Grundschulkindern mit auf den Weg geben?

Ich möchte Mark Forster zitieren: „Es wird gut, sowieso!“ und wenn es doch mal rumpelig wird, bitte die Ruhe bewahren. Such das Gespräch mit der Klassenlehrkraft & informiere Dich idealerweise frühzeitig. Am besten unter www.grundschul.tips. 😉

Vielen Dank an Björn!

Bis dahin, Richard & Hugo.

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